2. September 2023, 4:00 Uhr
Der Wecker riss mich aus dem Schlaf und kurze Zeit später stand Olli überpünktlich in der Einfahrt. Nach einem schnellen Materialcheck fuhren wir ins Gradental. Unser Ziel war der Friedrichskopf-Nordgrat, der uns den ganzen Sommer über im Kopf schwirrte. Schon mehrmals hatten wir auf den imposanten, dunklen Pfeiler geblickt, der einen großen Teil des Gradentals in den Schatten wirft.
Als wir am Parkplatz ankamen, erhob sich der Grat bereits in der Dämmerung vor uns. Der Anblick ließ den Puls steigen und wir spürten leichten Zeitdruck. Wir schauten uns an und fragten uns fast gleichzeitig, ob diese lange Unternehmung in einem Tag überhaupt machbar ist?
Vor uns lag ein noch unbekannter Grat mit ca. 1.000 Höhenmetern vom Einstieg bis zum Gipfel. Am Einstieg angekommen, war die logische Linie schnell klar und es dauerte nicht lange, bis wir das vertraute „Singen“ des ersten Schlaghakens hörten. Der Kaltstart über grasige, steile Platten und ein schwerer Rucksack voller Material machten die ersten Seillängen fordernd.
Nach einer Weile wurde das Klettern aber angenehmer, die Bewegungen flüssiger und wir kamen gut voran. Mit jedem Stand-und Richtungshaken wurde der Rucksack leichter und wir kletterten über schroffe Türme und zackige Passagen, bis wir nach einigen Stunden den Friedrichsschneidkopf, unseren ersten Gipfel, erreichten.
Halbzeit
Während einer kurzen Pause verschafften wir uns einen Überblick über den weiteren Verlauf. Vor uns lag eine äußerst brüchige Gratpassage, die auf den ersten Blick fast unmachbar erschien. In der Scharte angekommen, entschieden wir uns aufgrund der späten Tageszeit für eine Lagebesprechung. Entweder wir steigen weiter und versuchen den brüchigen Aufschwung, oder wir seilen uns ins Gartltal ab – Es war somit die einzige Möglichkeit, den Grat zu verlassen. Doch diese Abseiler sahen alles andere als einladend aus und so war schnell klar: Die einzige Option führt weiter über den Grat bis zum Gipfel.
Ab diesem Moment wussten wir, dass uns noch ein langer Tag bevorstand. Die roten Türme und der anschließend brüchige Aufschwung fühlten sich einfacher an als erwartet. Obwohl die Schwierigkeiten nach und nach leichter wurden und wir in gutem Tempo vorankamen, schien der Grat dennoch endlos.
Gipfel in Sicht
Um 18:30 Uhr, nach einem langen Anstieg erreichten wir schließlich den Gipfel. Freude und Erleichterung durchströmten uns. Bei einer verdienten Jause genossen wir noch ein paar ruhige Momente, bevor wir den Abstieg antraten.
Der Abstieg führte zunächst südseitig über den Normalweg, bevor wir wieder zur Friedrichscharte aufstiegen und die ewig lange Schuttrinne in der Dämmerung hinunterstiegen. Nach etwa zweieinhalb Stunden erreichten wir heillos froh das Auto. Ein langer, aber erfüllender Tag im schönen Gradental ging zu Ende. Bei einer abschließenden Nachbesprechung ließen wir den Tag gemütlich ausklingen.
A.A.