Dass auch quasi vor der Haustür noch einiges an Abenteuer-Potenzial schlummert, wurde uns mit dieser Tour wieder einmal eindrucksvoll bestätigt. Vermutlich sind es die schlaflosen Nächte, die den Obmann eines traditionsreichen Bergsteigervereins aus der Region regelmäßig zu derartig kreativer Höchstform auflaufen lassen. Die Idee wurde von potenziellen Tourenpartnern teilweise begeistert und wohlwollend, oder aber auch mit „fahlt’s eich komplett???“ quittiert – was dem Vorhaben jedoch keinen Abbruch tat. Letztendlich wurde die Tourengruppe („von Freundschaft war nie die Rede!“), bestehend aus Stefan, Michl und Stephan, beim vorabendlichen – übrigens sehr gelungenen – Vortrag von Gaisbacher Tom und Luner Peter fixiert.

„Fromdusktilldawn“

Da man schon eine längere Unternehmung befürchtete, erfolgte der Start in der endenden Morgendämmerung, wo man beginnend beim Kreithof die ausgetretenen Pfade bald rechts liegen ließ und sich gegen Osten in Richtung des LavanterAltalpls aufmachte. Waren zu Beginn noch einige Spuren von Steinkar-Abfahrern auszumachen, erreichte man jedoch bald über schneebruchholzgespickten, hartgefrorenen Wald-Schnee wenig besuchtes Gelände. Das Lavanter Altalpl wurde erreicht, und das erste Zwischenziel, der Lavanter Kolm schien schon trügerisch nahe. Der Weg dorthin erforderte aufgrund der wechselnden Verhältnisse jedoch auch mehrmals wechselnde Anstiegstechniken, Skier und Steigeisen wurden des Öfteren gegeneinander ausgetauscht. Im einsamen Kar der Kolmklamm war es dann schließlich so weit, dass sogar der sonst so hartnäckig verfolgte Grundsatz („Kein Harscheisen vor März!!!“) des Autors über Bord geworfen wurde, und die Abrutschverhinderer zwischen Schuh und Schi geklemmt wurden. Jedoch nur für kurze Zeit, bald waren die Steigeisen wieder das weitaus bessere Fortbewegungsmittel. Landschaftlich unglaublich eindrucksvoll, aber auch durchaus alpin und herausfordernd war der weitere Weg über den Keilspitzen-Kamm, welcher nach einigen steilen Querungen, felsigen Steilaufschwüngen, Kaminen und Wechten über das letzte steile Wandl in die Scharte zwischen Kleiner und Großer Keilspitze, und schließlich zum Hauptziel des Tages, dem Gipfel der großen Keilspitze führte. Oben angekommen lichtete sich sogar der sonst wolkenverhangene Himmel etwas, und die Sonne blickte kurz durch die Nebel, während wir in Gedenken an unseren vor einem Jahr in einer Lawine verstorbenen Freund und Vereinskameraden Hermann Neumayr eine Kerze bei der Gipfelmadonna entzündeten.

Der Heimweg

Nach kurzer Rast begann – direkt vom Gipfel – die erste Abfahrt des Tages über die steile Keilklamm, welche uns auf hartem, aber gut griffigem Schnee in das Lavanter Alm-Tal führte. Im Talboden angelangt kamen die Steigfelle wieder zum Einsatz, der Weiterweg war bekannt und verlangte aufgrund der stattlichen Anzahl an bereits zurückgelegten Höhenmetern noch einiges an Durchhaltevermögen. Am Laserztörl angekommen wurde kurz über die Gestaltung des restlichen Tagesverlaufs beraten, und die voraussichtliche Ankunftszeit dem Einbruch der Dunkelheit gegenübergestellt. Bald war entschieden, dass der Heimweg nur über das Steinkar anzutreten war um die geplante Runde auch tatsächlich zu Ende zu führen (keiner der Anwesenden konnte in diesem Moment große Motivation zur Wiederholung der Tour aufbringen…).

Bei gar nicht so schlechten Abfahrtsverhältnissen wurde nach einigen kraftsparenden Schwüngen wiederum aufgefellt, um dem letzten Anstieg des Tages auf das Schartenschartl zu folgen. Durchaus zügig wurde dieser bewältigt, und nach dem Abstieg über die felsige Eingangsbarriere in die Steinkarrinne konnte wiederum bei hartem und griffigem Schnee – diesmal sogar mit leicht pulvriger Auflage des Schneefalls der letzten Stunden – die letzte Abfahrt des Tages begonnen werden. Im Steinkar waren die Abfahrtsverhältnisse dann durchaus recht wechselhaft, ein guter Teil des uns bekannten Repertoires an Schlechtschnee zwischen Bruchharsch und gefrorenen Windgangeln wurde in ausgeprägter Form von uns – im wahrsten Sinne des Wortes – „erfahren“.

Schließlich erreichten wir nach rund 9 ½ Stunden und knapp 2.500 Hm wiederum unseren Ausgangspunkt – gerade rechtzeitig vor Einbruch der Abenddämmerung – und machten uns nach einer kurzen Touren-Nachbesprechung mit dringend notwendigem Flüssigkeitsausgleich beim Dolomitenhof in Tristach auf den Heimweg.

„Oneforthebooks“

Entsprechende Kondition, alpine Erfahrung und vor allem beste Gebietskenntnisse am Keilspitzkamm, begrenzte Ansprüche an das Niveau des Abfahrtsgenusses und etwas Leidensfähigkeit vorausgesetzt, darf diese Tour als alpines Gesamterlebnis durchaus zu einem unserer Highlights der winterlichen Bergfahrten in den Lienzer Dolomiten gezählt werden, in landschaftlich absolut eindrucksvoller und einsamer Umgebung. Dass diese Tour absolut stabile und sichere Verhältnisse voraussetzt, welche in diesem Gelände wohl nur eher seltenanzutreffen sind, versteht sich von selbst. (S.S.)